Sozialerziehung

Die Sozialerziehung umfasst zu entwickelnde und fördernde Kompetenzen zum Handeln im sozialen Kontext während der Kinderstubenzeit.

Gute Beziehungen zu Erwachsenen und Kindern

Als Grundlage der Sozialerziehung sehen wir die Persönlichkeitsbildung des Kindes. Nur ein Mensch, dem es möglich ist, ein positives Selbstbild und das daraus resultierende Selbstvertrauen in sich als wertvolle Person zu entfalten, kann im sozialen Gefüge ein selbstsicheres und der Gemeinschaft förderliches Verhalten zeigen. Um sich jedoch als Person bejahen und annehmen zu können, braucht ein Kind das Gefühl, geliebt und akzeptiert zu werden. In unserer Arbeit möchten wir eine Atmosphäre der Geborgenheit, des Vertrauens und der Akzeptanz jedes Einzelnen schaffen. Wir versuchen, den Kindern möglichst viele Gelegenheiten zu bieten, in denen sie ihre Gefühle, wie z.B. Wut, Trauer, Angst und Freude ausdrücken können. Bei einer Unterdrückung solcher Empfindungen können diese gegen sich selbst oder gegen Andere gerichtet werden. Dies wird dann häufig in sozial „auffälligen“ Verhalten deutlich.

Die längerfristige Beobachtung der Kinder und die Erschließung ihrer Wünsche, Bedürfnisse und Gefühle ist für uns ein wichtiges Element in der täglichen Arbeit. Wir möchten uns sensibilisieren für die Bedürfnisse und Interessen der Kinder. Die Kinder haben ein Recht darauf, ihre Gefühle zu äußern und von uns ernst genommen zu werden. Gerade im sozialen Verhalten kann nicht nur die Reaktion des Kindes in einer Situation in Betracht gezogen werden, sondern stets das Kind in seiner ganzen Person.

Empathie und Perspektivübernahme

Je jünger Kinder sind, umso mehr sind sie ihren Gefühlen ausgeliefert. Wir sehen es als unsere Aufgabe, die Kinder darin zu unterstützen, ihre Gefühle wahrzunehmen und eine sozial angemessene Ausdrucksmöglichkeit für diese zu finden. Dabei ist uns bewusst, dass das Kind erst am Anfang steht und ein Recht auf Zeit und Geduld in diesem Prozess hat.

Wir unterstützen die Kinder in der Wahrnehmung eigener Gefühle und Bedürfnisse, damit es lernt, in sich hinein zu sehen und festzustellen, was es möchte.  Aufbauend auf dieser inneren Auseinandersetzung mit den eigenen Wünschen und Interessen, die auch vom Umfeld akzeptiert und ernst genommen werden, kann sich das Kind auf eine Aktivität einlassen. Es weiß, was es möchte und kann seine Wünsche anfangs mit unserer Unterstützung auch Anderen gegenüber formulieren.

Wenn das Kind erlebt, dass so mit ihm umgegangen wird, kann es Empathie für Andere entwickeln und es wird ihm leichter möglich, auch die Perspektive des Gegenübers einzunehmen und dessen Handeln besser zu verstehen.

Kommunikationsfähigkeit

Wir wünschen uns, dass die Kinder in der Kinderstube lernen sich angemessen auszudrücken, also die richtigen Begriffe für ihre Gefühle zu benutzen, sowie eine angemessene Gestik und Mimik zu verwenden.

Wahrnehmung der Mitmenschen

Wenn die Kinder spüren, dass sie und ihre Bedürfnisse und Interessen von den Erzieherinnen ernst genommen und geachtet werden, sind sie in der Lage, auch die der anderen Kinder zu achten. Die bewusste Wahrnehmung des Anderen ist der erste Schritt auch dessen Bedürfnisse, Gefühle und Interessen zu sehen. Basierend auf dem Vergleich der eigenen Wünsche und der des anderen können nun soziale Fähigkeiten ausprobiert werden, wie z. B. Kompromisse, Rücksichtnahme, Hilfsbereitschaft und Durchsetzungsvermögen.

Der Erwachsene als Begleiter

Wir sehen den Erwachsenen in diesem Prozess als Begleiter der Kinder. Wir wollen sie nicht in ihrem Verhalten kritisieren, verurteilen oder abwerten. Auch ist es nicht unsere Aufgabe, ihnen schnelle Lösungen für schwierige Situationen zu präsentieren, ständig einzugreifen, zu regeln und Vorgaben zu machen. Denn dann ist es den Kindern nicht möglich, selbständig zu sein. Doch wir erleben es oft als Hilfe für das Kind, wenn wir seine Gefühle in einer problematischen Situation erkennen, ihm helfen diese zu benennen und sie vor allem akzeptieren. Dies wirkt entlastend und schafft einen Zugang zum eigenen Problemlösungspotential.

Kinder mit „auffälligem“ Verhalten

Gerade im Bereich der Sozialerziehung wird oft von auffälligem Verhalten gesprochen. Wir wollen in unserer Arbeit Kinder in ihrem Verhalten nicht bewerten, sondern es hinterfragen. Kinder, die z. B. stören, haben ihre Gründe dafür.

Die Vermittlung des Angenommen seins ist daher für uns der Grundstein der Sozialerziehung. Uns ist dabei die Vermeidung von Bloßstellungen, Vergleichen und Stigmatisierungen ein Hauptanliegen. Jede Situation ist neu und verdient es auch, wieder neu betrachtet zu werden. Erziehung ist ein ständiger Prozess des Wechsels und der Veränderung.

Die Erzieherin als Vertrauensperson und Vorbild

Damit sich die Kinder uns gegenüber öffnen und uns ihre Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse mitteilen können und wollen, ist das Verhältnis zwischen Erzieherin und Kindern ausschlaggebend. Wir möchten den Kindern Geborgenheit, Sicherheit und Verlässlichkeit geben. Die Kinderstube soll ein Raum sein, in dem sie Vertrauen erleben und Zutrauen im Umgang mit sich selbst und anderen aufbauen können.

Die Beziehung zu uns darf auf keinen Fall von Angst und Druck bestimmt werden, woraus sich oft Zurückhaltung und Resignation entwickeln, sondern die Beziehung soll von Wertschätzung, Achtung, Zuwendung und Respekt getragen werden. In einer solchen Beziehung wird die Erzieherin und ihr Verhalten in verschiedensten Situationen dann auch als Vorbild anerkannt. Wir sind uns über diese Funktion im Klaren und reflektieren unser Verhalten immer wieder im Team und in der Supervision.

Konfliktmanagement

Zwischenmenschliche Konflikte treten in Gruppen wie z. B. der Kinderstube gehäuft auf. In unserem Morgen- bzw. Mittagskreis werden diese mit den Kindern zusammen besprochen. Konflikte sind ein Übungsfeld für das Leben. Es ist notwendig für Kinder, sich mit Anderen auseinander zu setzen, zu streiten und sich zurück zu ziehen. Es ist eine pädagogische Erwachsenensicht, dass Kinder harmonisch miteinander spielen sollen. Das Kind erprobt gerade in Konflikten verschiedene Handlungsmöglichkeiten und lernt eine Balance zwischen dem eigenen und dem Bedürfnis der Gruppe herzustellen. Der Erwachsene gibt Unterstützung, aber nicht als Lösungsträger, sondern vermittelt, hört aktiv zu, ordnet und erarbeitet mit den Kindern Lösungsmöglichkeiten.

Wir sehen die Konflikte zwischen den Kindern nicht negativ, sondern als Lernfeld für den zwischenmenschlichen Umgang in unserem geschützten Umfeld. Diese werden von uns nicht übersehen oder durch schnelles Eingreifen im Keim erstickt. Sie gehören vielmehr als normaler, nicht als negativ zu bewertender Bestandteil zum Leben dazu und es ist uns ein Anliegen diese Einstellung an die Kinder weiterzugeben.

Konflikte können entstehen, wenn echte Bedürfnisse der Kinder bzw. der Kinder und der Erwachsenen auf einander treffen oder wenn es Missverständnisse gegeben hat. Die Schwierigkeit für eine konstruktive Konfliktlösung liegt oft darin, herauszufinden worum es in Wirklichkeit geht. Wir sehen unsere Rolle bei Konflikten der Kinder als aktiver Zuhörer, der Hilfestellung bei der Lösungsfindung gibt, jedoch ohne den Richter zu spielen. Die Lösung eines Streits bleibt in der Verantwortung der Kinder. Wenn allzu schnell Lösungen und Beschwichtigung von unserer Seite kommen, würden die Kinder eher handlungsunfähig und unselbständig im zwischenmenschlichen Umgang und könnten sich daran gewöhnen, die Hilfe von Erwachsenen in Anspruch zu nehmen um ihre Probleme zu lösen.

Um zu einer Entscheidung zu gelangen, müssen sich die Kinder auf eine Lösung einigen, die allen Konfliktteilnehmern klar und für alle Parteien annehmbar ist. Allerdings gibt es Konflikte, die nicht gelöst werden können. Diese Erkenntnis ist eine wichtige Erfahrung im Leben der Kinder. Manchmal braucht man gegebenenfalls die Hilfe von Anderen oder muss seine Bedürfnisse und Wünsche zurückstellen.

Bei jeder konstruktiven Konfliktlösung sollte genügend Zeit und Ruhe vorhanden sein. Gerade die Diskussion über die verschiedenen Lösungen, deren Nachteile und Vorteile, die Gefühle der einzelnen Kinder dazu sind wesentliche Bestandteile des Umgangs mit den Mitmenschen. Hier erfahren die Kinder welche Gefühle ihre Handlungen beim Gegenüber auslösen und sie lernen sich in den Anderen hineinzuversetzen. Gerade in diesen Situationen kann das Kind soziale Fähigkeiten erfahren und einüben.